Mit der Aufnahmeanordnung vom 6. Juli 2018 ermöglichte das Bundesinnenministerium die Aufnahme von bis zu 300 Personen, die von Libyen nach Niger evakuiert wurden. Die aufgrund der besonderen Fluchterfahrung teilweise stark traumatisierten Personen kommen über Resettlement in die Bundesrepublik und erhalten demnach einen Aufenthaltstitel gem. § 23 Abs. 4 AufenthG. Deutschland folgt damit dem Aufruf von UNHCR, Resettlement-Plätze für besonders vulnerable Geflüchtete in Libyen zur Verfügung zu stellen. Insgesamt sollen ca. 4.000 der über 50.000 von UNHCR in Libyen registrierten Geflüchteten von Europa aufgenommen werden.
Nun hat UNHCR aktuelle Zahlen zum Evakuierungsprogramm für Geflüchtete aus Libyen veröffentlicht. So waren am 21. Januar 2019 insgesamt 56.756 Geflüchtete in Libyen bei UNHCR registriert, wobei sich derzeit nur 3.805 Personen in einer der zugänglichen libyschen Lagern befinden. Bisher wurden im Rahmen des seit Ende 2017 laufenden Programms insgesamt 2.879 Personen nach Niger (2.202), Italien (415) und in das Emergency Transit Center (ETC) nach Rumänien (262) evakuiert.
Um den geplanten Neuansiedlungsprozess durchzuführen werden die registrierten Personen dabei von UNHCR in folgende vier Gruppen unterteilt:
Gruppe 1: Personen, deren Fälle vollständig in Libyen bearbeitet werden, inklusive der Durchführung von Interviews mit aufnehmenden Resettlement-Staaten, die direkt von Libyen aus resettelt werden
Gruppe 2: Personen, deren Fälle in Libyen bearbeitet werden, die daraufhin in den Niger evakuiert werden, von wo aus Interviews mit aufnehmenden Resettlement-Staaten durchgeführt werden und von Niger aus resettelt werden
Gruppe 3: Personen, die von Libyen nach Niger evakuiert werden, deren Fälle vollständig im Niger bearbeitet werden (inklusive Interviews) und die von Niger aus resettelt werden
Gruppe 4: Personen, die als Geflüchtete in Niger bereits registriert sind, deren Fälle vollständig im Niger bearbeitet werden (inklusive Interviews) und die von Niger aus resettelt werden
Deutschland nimmt aufgrund der prekären Sicherheitslage in Libyen generell nur Geflüchtete auf, die zunächst von Libyen nach Niger evakuiert wurden (Gruppe 2 und 3). Die Anzahl von 300 Personen, die im Rahmen des zugesagten Kontingents von 10.200 Personen über Resettlement für 2018/19 aufgenommen wurden, ist dabei angesichts der hohen Anzahl an extrem Schutzbedürftigen Menschen vor Ort für ein Land wie Deutschland beschämend gering.
Insgesamt wurden seit ersten September 2017 3.827 Geflüchtete (aller vier Gruppen) aus Libyen und Niger zwölf aufnehmenden Resettlement-Staaten vorgeschlagen.
1.795 Personen sind bereits aus dem Niger und Libyen ausgereist, 431 erhielten eine Resettlement-Zusage und warten derzeit noch auf ihre Ausreise. Weitere 1.235 Personen, die für eine Neuansiedlung vorgeschlagen wurden, warten aktuell noch auf ihr Interview bzw. auf eine Entscheidung seitens aufnahmebereiter Drittstaaten.
Am 21.01.2019 ist eine Anzahl von 5.456 Plätzen durch folgende Aufnahme-Staaten zugesagt worden: Belgien, Kanada, Finnland, Frankreich, Deutschland, Italien, Malta, Niederlande, Norwegen, Schweden, Schweiz und das Vereinte Königreich.
Für 4657 Personen konnten dagegen seit September 2017 anderweitige „schutzbringende“ Lösungen gefunden werden, wobei diese bei fast allen Personen eine „freiwillige“ Rückkehr in die Heimatländer (4.603) darstellte. Fraglich bleibt hier nach wie vor, wie sicher die Situation in den Herkunftsländern für die Betroffenen und wie schutzbringend damit auch die Lösung der freiwilligen Rückkehr ist. 51 Personen konnten über Humanitäre Korridore nach Italien ausreisen, in lediglich zwei Fällen wurden Humanitäre Visa erteilt, in einem Fall handelte es sich um eine Familienzusammenführung nach Frankreich.
Das Glück der wenigen Auserwählten, auf legalem Wege in einen sicheren Drittstaat resettelt zu werden, ist nicht nur ein Tropfen auf den heißen Stein, sondern steht vor allem in eklatantem Widerspruch zu einer unmenschlich gewordenen Flüchtlingspolitik, die in Kooperation mit Libyen zeitgleich unzählige Personen von der mit EU-Geldern finanzierten libyschen Küstenwache zurück nach Libyen bringen lässt. So wurden in den letzten zwei Jahren rund 30.000 Schutzbedürftige von der libyschen Küstenwache abgefangen und zurück in libysche Lager und Gefängnisse gebracht, wo sie erneut unter grausamsten und unwürdigsten Bedingungen Folter, Vergewaltigungen und Zwangsarbeit ausgesetzt sind. Hinzu kommt gezielte Gewalt libyscher Einheiten gegen Geflüchtete und Seenotretter und die Inkaufnahme steigender Opferzahlen auf dem Mittelmeer. Der „humanitäre“ Akt der Aufnahme von 300 Personen aus Libyen wird damit zur Farce.
Welch verheerende Folgen die Flüchtlingskooperation der EU mit Libyen mit sich bringt, zeigt auch folgendes Video der „New York Times“, das eine Hilfsaktion auf dem Mittelmeer, bei der mindestens 20 Menschen ihr Leben verloren, rekonstruiert:
http://www.spiegel.de/video/fluechtlinge-new-york-times-ueber-rettungsaktion-video-99024503.html
Quelle: UNHCR Resettlement update #46
https://reliefweb.int/sites/reliefweb.int/files/resources/67740.pdf