Aktuelle Entwicklungen im Bereich Resettlement und Humanitäre Aufnahme (Oktober 2019)

Aktuelle Entwicklungen im Bereich Resettlement und Humanitäre Aufnahme (Oktober 2019)

Nobby G.
Allgemein

 UNHCR photo / April 2012

Für den Zeitraum 2018/19 sagte Deutschland im Rahmen des EU-Resettlement-Programms 10.200 Resettlement-Plätze zu, wobei diese sich wie folgt zusammensetzen: 3.200 Plätze über Resettlement, 6.000 Plätze über die Humanitäre Aufnahme aus der Türkei (HAP) sowie jeweils 500 Plätze über ein privates Sponsorenprogramm des Bundes (NesT) und ein Aufnahmeprogramm des Landes Schleswig-Holstein. Die Aufnahme der 10.200 Personen sollte ursprünglich bis einschließlich Oktober dieses Jahres erfolgen, jedoch wurde das Ziel zur ursprünglichen Frist nicht erreicht, weshalb diese nun auf Ende des Jahres verlängert wurde. Bisher reisten von den 10.200 zugesagten Plätzen 6.522 Personen (Stand: 21.10.19) nach Deutschland ein. Das Innenministerium begründet die Verzögerung dabei mit der verspäteten Regierungsbildung nach den Wahlen 2017 sowie mit komplexen, organisatorischen Vorbereitungen. Derzeit finden Einreisen dieser Personen mit unterschiedlichen Staatsangehörigkeiten in einem wöchentlichen Rhythmus (ca. 160-260 Personen pro Woche) statt, um das Kontingent im besten Falle dieses Jahr zu erfüllen.

Von den auf europäischer Ebene zugesagten 50.000 Personen wurden bisher nur ca. 37.500 Personen in Europa aufgenommen (Stand Mitte Oktober). Während einige Staaten ihre Zusagen bisher voll erfüllt haben, darunter Schweden (8.750 Personen), Großbritannien (7.800 Personen), ist der Großteil der aufnehmenden Länder im Verzug. Demnach haben Frankreich, Niederlande und Finnland bisher ca. 80% der zugesagten Kontingente umgesiedelt, während Belgien und Irland rund die Hälfte bzw. Portugal rund ein Drittel der zugesagten Quote umgesiedelt haben (Stand Mitte Oktober). Der ehemalige EU-Migrationskommissar Dimitris Avramopoulos zeigte sich bisher dennoch hoffnungsvoll, dass die verbleibenden Zusagen bis Ende des Jahres erfüllt werden. Im Rahmen des EU-Programms erhalten die aufnehmenden Länder 10.000 Euro pro Person, um primär Integrationsmaßnahmen zu finanzieren.

Demnach sind die europäischen Regierungen, darunter auch die deutsche Regierung, bisher klar im Verzug und haben es versäumt ihre Zusagen zu erfüllen. Leidtragende sind tausende von Geflüchteten, die sich in Erstzufluchtsländern befinden, die mit der Unterbringung und adäquaten Versorgung der Personen häufig überfordert sind. Darunter befinden sich auch Kinder, Überlebende von Vergewaltigung und Folter, ältere und behinderte Menschen. Sie alle weisen erhöhten Schutzbedarf auf. Darüber hinaus sind auch Personen darunter, die in libyschen Lagern inhaftiert und dort Gewalt, Folter, sexuellen Übergriffen und Zwangsarbeit ausgesetzt waren bzw. sind, weshalb die Neuansiedlungen nicht schnell genug erfolgen können.

Es ist davon auszugehen, dass die Europäische Kommission Ende 2019 die Mitgliedsstaaten zur Zusage neuer Kontingente auffordern wird. Obwohl die Aufnahme in einigen Mitgliedsstaaten auf politischer Ebene rege diskutiert wird, bleibt abzuwarten, inwieweit die Staaten dieser Forderung nachkommen und dabei auch den steigenden Bedarf weltweit mitberücksichtigen werden. Deutschland wird voraussichtlich im kommenden Jahr ein Kontingent von 5.000 Personen festlegen, was von deutscher Seite trotz steigenden weltweiten Bedarfs keinerlei Erhöhung im Vergleich zu den Vorjahren bedeuten würde. Angesichts humanitärer Notlagen weltweit wäre eine Erhöhung des Kontingents nicht nur wünschenswert, sondern dringend nötig.

Darüber hinaus wird das Humanitäre Aufnahmeprogramm für syrische Geflüchtete aus der Türkei (derzeit bis zu 500 Personen pro Monat) auch 2020 fortgesetzt und voraussichtlich erneut in die Gesamt-Aufnahmezahl miteinberechnet werden. Die Bundestagsfraktion der SPD fordert indes eine Verdoppelung der Aufnahmezahlen für nächstes Jahr auf 20.000 Personen für Deutschland, primär um die Situation in der Türkei, die bisher mehr Geflüchtete aufgenommen hat als alle Länder der Europäischen Union zusammen, zu entlasten. Auch in der CDU gibt es mitunter Stimmen, die sich für eine Erhöhung des deutschen Kontingents aussprechen, jedoch mit anderen Hintergedanken, so äußerte sich CDU-Innenpolitiker Armin Schuster wie folgt: „Die Aufnahme über reguläre Resettlement-Programme ist mir da allemal lieber als nach illegaler Einreise“. Seiner Aussage nach sollte irreguläre Migration dabei durch langangepasste und flexible Grenzkontrollen an allen deutschen Grenzen reduziert werden, was mehr Platz für eine geregelte Aufnahme über Resettlement schaffen würde. Er bringt damit die aktuell vorherrschende politische Tendenz im Bereich humanitärer Aufnahmen auf den Punkt, diese nicht wie vom UNHCR charakterisiert als zusätzliches Schutzinstrument zum individuellen Recht auf Asyl zu sehen, sondern letzteres durch den kontrollierten Zuzug Geflüchteter langfristig immer stärker ersetzen zu wollen, was Save Me seit langer Zeit vehement kritisiert.

Um auf Bundesebene den derzeit und künftig Einreisenden sowie Mitarbeitenden von Behörden und Beratungsdiensten in den aufnehmenden Kommunen einen möglichst reibungslosen Ablauf zu ermöglichen, hat das Bundesinnenministerium ein neues Informationsschreiben an die Landesbehörden versandt, in dem sich u.a. Informationen zu den rechtlichen Rahmenbedingungen, Hinweise zu den medizinischen Informationen sowie zur Identitätsfeststellung finden. In dem Schreiben wird darüber hinaus auch auf die Erteilung des Aufenthaltstitels für drei Jahre, auf die regelmäßige Unzumutbarkeit der Passbeschaffung für Resettlement-Geflüchtete sowie auf die Tatsache hingewiesen, dass die Einreisedokumente aufgenommener Personen variieren können. In Bezug auf die von Mentorengruppen unterstützte Aufnahme von Personen über das Pilotprogramm „Neustart im Team – NesT“ informiert das Schreiben über abweichende Modalitäten gegenüber dem regulären Resettlement-Verfahren (z.B. direkte Abholung eingereister Personen durch die Mentoren aus der Erstaufnahmeeinrichtung in Friedland und Berücksichtigung des Umstandes bei der Beantragung von SGB II-Leistungen, dass die Kaltmiete für zwei Jahr ab Anmietung durch die Mentoren erfolgt.) Bisher existiert ein derartiges Informationsschreiben des BMI lediglich für Personen, die einen Resettlement-Aufenthalt nach § 23.4 erhalten. Für Personen, die über das Humanitäre Aufnahmeprogramm für syrische Geflüchtete aus der Türkei (§ 23.2) kommen, existiert ein derartiges Schreiben bisher noch nicht, was Save Me zum Anlass nahm, beim BMI nach einem Schreiben für HAP nachzufragen.

Das vollständige BMI-Länderrundschreiben finden Sie hier:

BMI Grundsatzverfahren Resettlement

 

Quellen:

https://www.dw.com/en/eu-breaks-promise-of-safe-passage-for-50000-refugees/a-50803664

https://resettlement.de/aktuelle-aufnahmen

https://de.qantara.de/content/deutschland-bei-fluechtlings-umsiedlung-aus-krisengebieten-in-verzug

https://www.infomigrants.net/en/post/20161/eu-breaks-promise-of-safe-passage-for-50-000-refugees

https://www.wallstreet-online.de/nachricht/11785486-tuerkei-spd-fraktion-tuerkei-fluechtlingspolitik-entgegenkommen